Recherche-Erlebnisse für mein nächstes Buch

22. Nov. 2016, Singapur, Geylang, Rotlichtmilieu

Ich wollte mir für eine Szene aus dem Buch einen Eindruck verschaffen. Mein Antagonist, ein gefährlicher Psychopath (ein Frachtpilot?), geht in Singapur auf die Jagd. Seine Beute in dieser Nacht: eine Prostituierte, die er auf brutale Weise zerstückeln wird.

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Das Ergebnis dieser Recherche. 

Über Google hatte ich im Vorfeld schon einige Basisinformationen über Singapur und Prostitution herausgefiltert. Doch das reichte mir nicht und ich zog los, um mich vor Ort selbst zu überzeugen. Zum Glück, denn die Realität zeigte sich in einem anderen Licht als die Welt, die von Google beschrieben wurde.

Ich liebe es, mich in meine Figuren hineinzudenken und wenn ich das intensiv mache, dann setzt eine Transformation ein. Ich nehme die Identität der Charaktere an, ich denke so wie sie, stelle mir vor, so wie sie zu handeln.

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Geylang, das Rotlicht-Viertel in Singapur

Mit dem Taxi fuhr ich in den Rotlicht-Distrikt nach Geylang. Da man von den Taxifahrern oft brauchbares Hintergrundwissen erhält, verwickelte ich meinen Fahrer in ein Gespräch. Ich stellte Fragen über die Gepflogenheiten in Geylang, welchen Service man von welchen Frauen zu welchem Preis wo bekommen kann … einfach alles, was ich für meine Recherche für verwertbar hielt. Da mein Psychopath eine indische Hure ermorden wird, fragte ich den Taxifahrer auch über indische Prostituierte aus.
Dann erklärte ich ihm, dass ich ein Buch schreibe und deswegen an diesen Informationen interessiert bin.
»Of course«, antwortete er mit wohlwollendem Kopfnicken. Er glaubte mir wohl kein Wort von dem, was ich sagte. Der Taxifahrer setze mich in Lorong 20 ab, in die Seitenstraße Nummer 20. Dort würde ich nach seiner Meinung eine Inderin finden. Als ich ausstieg, rief er mir noch fröhlich lachend hinterher.

»Have fun tonight, my friend!«

 

img_0060Um diese Zeit, es war kurz nach 21 Uhr, waren nur vereinzelte Damen der Nacht zu sehen. Die übliche Fleischbeschau ging erst so richtig nach Mitternacht los. Trotzdem konnte ich bereits jetzt den Flair von Gaylang in mich aufsaugen.

Es war dreckig in Geylang, was ungewöhnlich für Singapur ist. Eine Frau, die vor einem der Bordelle auf einem Plastikstuhl saß, warf ein Stück Holz nach einer Ratte, die quietschend davonhuschte.
Männer vor anderen Bordellen wollten mich locken und versprachen mir himmlische Gefühle.
Auf der belebten Querstraße versuchte eine sehr hübsche Asiatin, mich für eine Massage ins Haus zu zerren. »Wonderful Massage with happy ending!«
Viele Männer indischer, pakistanischer und indonesischer Herkunft durchstreiften die Gegend um Lorong 20.
Die Häuser sind nicht hoch. Nur drei oder vier Stockwerke. Geschäfte aller Art reihen sich aneinander.

 

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Zwei Streifenpolizisten in dunkelblauen Uniformen überprüften die Personalien einer Frau.
Ich setzte mich an die Ecke der Einmündung zum Lorong 20 in ein indonesisches Restaurant, das keine Wände zu den beiden Straßenseiten hatte. Man saß mitten im Geschehen. Perfekt, wenn man den Geist von Geylong aufsaugen will.

img_0037Am Schluss meiner Recherche besuchte ich in einer Nebenstraße das Stundenhotel »Golden Dragon«. Ich gab mich als potenzieller Kunde aus und wollte mir ein Zimmer ansehen. img_0039Bereitwillig gab man mir den Schlüssel. Das Zimmer war klein, aber groß genug für ein Doppelbett. Das Badezimmer war winzig.
Ausgezeichnet. Hier konnte mein Psychopath einen wunderbaren Mord ausführen. Ich schlüpfte in die Rolle des Mörders, stellte mir vor, wie ich eine Frau umbringen würde.

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Nur das Metallgestell des Bettrahmens muss ich dazuerfinden. So ein Gestell brauche ich, weil mein Mörder das Opfer daran fesseln wird.

 

 

 

Ich hatte genug Eindrücke gesammelt. Zufrieden fuhr ich zurück ins Pan Pacific Hotel.

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Im Außenaufzug in den 35ten Stock

Da auch eine kurze Szene in diesem Hotel spielt, telefonierte ich am nächsten Tag mit der PR-Abteilung. Ich fragte nach der schriftlichen Genehmigung, den Namen des Hotels in meinem Buch erwähnen zu dürfen. Die Dame vom Marketing war begeistert. Ich liebe es, möglichst wirklichkeitsgetreu zu schreiben, und wenn man tatsächliche Orte mit richtigem Namen in einem Action-Thriller erwähnen darf, machte es die Story lebhafter.